9. November 2009
Google statt Duden?
Das funktioniert aber leider nicht immer. Ein Negativbeispiel ist "aufpäppeln" und seine falsch geschriebene Variante "aufpeppeln". Letztere hat in Google 99.500 Treffer, das korrekte "aufpäppeln" aber nur 25.600. Die Schuldigen sind keineswegs nur Forumsnutzer oder Blogger, sondern ebenso die "Qualitätsjournalisten" in "Qualitätsmedien" wie dem Spiegel, der FAZ oder der FTD. Bei der Zeit schrieb man es schon 1977 falsch.
Warum schreiben so viele Leute "aufpeppeln"? Wahrscheinlich verwechseln sie es mit "aufpeppen", oder sie können sich nicht entscheiden, ob sie "aufpäppeln" oder "aufpeppen" sagen wollen und schreiben einfach beides in einem.
Übrigens las ich diese Woche im Spiegel ein neues Synonym für "aufpeppen": aufporschen. Ist jedenfalls besser als das unsägliche "pimpen", bei dem ich je nach Kontext an "Pimpf" oder "pimpern" denken muss.
6. November 2009
Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip
Ein Ingenieur und ein Mathematiker sollen einen Löwen fangen. Der Ingenieur konstruiert eine aufwändige Falle, und nach drei Tagen hat er einen Löwen gefangen.
Der Mathematiker nimmt einen Käfig, setzt sich hinein und sagt: "Definiere: Hier ist außen."
5. November 2009
Tatsachenverdrehung
Wenn einem kein Euphemismus mehr einfällt, kann man es mit mutwilliger
Tatsachenverdrehung versuchen, wie sie am Sonntag in der Welt zu bewundern war:
Es sei der Sozialstaat, der die Unterschicht überhaupt erst hervorgebracht habe, sagt der Präsident des Ifo-Instituts in München, Hans-Werner Sinn. Fast ein Drittel des hiesigen Sozialprodukts werde für soziale Leistungen verwandt. "Um in ihren Genuss zu kommen, muss man meist den Arbeitsmarkt verlassen. Die Menschen erhalten also eine Prämie, wenn sie sich aus der Arbeitsgesellschaft ausgliedern", rügt der Ökonom.Also liebe Noch-Mitarbeiter bei Quelle oder Opel: Verlasst nicht die Arbeitsgesellschaft! Gliedert euch nicht aus! Auch wenn der Genuss von Hartz-IV euch lockt!
(Welt Online)
Von der Tatsachenverdrehung zur platten Lüge ist es dann auch nicht mehr weit:
Auch andere Vergünstigungen wie etwa der meist kostenlose Kindergartenplatz sind Arbeitslosen vorbehalten.Zwar haben Kinder von Arbeitslosen gar keinen Anspruch auf Betreuungsplätze, weil die Eltern ja nicht zur Arbeit gehen müssen und deswegen selbst auf ihre Kinder aufpassen können, aber wen juckt's?
(Welt Online)
4. November 2009
Der hässlichste Euphemismus
OBERSTLEUTNANT BROOKHART: Was geschah mit den Juden, von denen Sie bereits gesprochen haben, ungefähr 450000?Die SS hatte keine Veranlassung, ihre Morde durch Ausdrücke wie "jemanden der Endlösung zuführen" zu verhüllen oder zu beschönigen. Der Ausdruck klingt nach typischem Beamtendeutsch. Wahrscheinlich war den Beamten im Ministerium bei ihrer Pflichterfüllung die klare Ausdrucksweise sauer aufgestoßen. Da verwandelten sie den Mord lieber in etwas, das sich nach einem ordentlichen, abheftbaren Vorgang anhört. Und konnten mit ihrer Pflichterfüllung fortfahren.
SS-UNTERSTURMBANNFÜHRER WISLICENY: Sie wurden restlos nach Auschwitz gebracht und dort der Endlösung zugeführt.
BROOKHART: Meinen Sie, daß sie getötet wurden?
WISLICENY: Ja.
(Der Nürnberger Prozeß)
30. Oktober 2009
Reise von Beijing nach Peking
Hier, hier und hier ist von "Beijing" die Rede, wo eigentlich Peking gemeint ist. Das Gruselige daran: anscheinend ist den Autoren überhaupt nicht klar, dass es sich bei "Beijing" um Peking handelt.
Mindestens die Hälfte der Leute schreibt ja auch "Tokyo" statt Tokio, wenngleich sich das seit dem Erfolg der Hotel-Band etwas verbessert hat.
Selbstverständlich muss die indische Hauptstadt "New Delhi" heißen (bei der Frankfurter Rundschau, der Mainzer Allgemeinen Zeitung, dem Focus usw.), wer "Neu-Delhi" sagt, ist ja sowas von Old School, der sagt bestimmt auch Mexiko-Stadt anstelle des wesentlich cooleren "Mexico City" (Abendzeitung).
Als nächstes bekämen jetzt "Zimbabwe" (Simbabwe), "Tanzania" (Tansania) und "Singapore" (Singapur) ihr Fett weg, aber ich hab' keine Lust mehr.
29. Oktober 2009
Warum schreibt man koreanische Namen in deutschen Texten auf Englisch?
Die Deutschen übertreiben es mal wieder in die andere Richtung. Mittlerweile weiß man gar nicht mehr, wie man manche Namen aus der Zeitung aussprechen soll. Zum Beispiel heißt der UN-Chef Ban Ki Mun, wird aber meistens "Moon" geschrieben. Das heißt, man soll den Namen des Koreaners auf Deutsch so aussprechen, als sei es Englisch, oder was? Konsequenterweise müsste man den Namen aber dann "Bän Kei Muhn" aussprechen und nicht "Bann Ki Muhn". Stattdessen soll man anscheinend die beiden ersten Wörter deutsch, das dritte aber so aussprechen, als läse man Englisch. Na klar, wenn's weiter nichts ist! Genauso bescheuert ist die pseudo-englische Schreibung von El-Kaida in Spiegel-Online: "Al-Qaida". Wenn man jetzt so tut, als läse man Englisch, kommt dabei heraus: "Äl Ka-i-da" bzw. El-Kaida. Na ja: warum einfach, wenn es auch saudämlich geht? Mittlerweile sagen die meisten Leute gar nicht mehr El-Kaida, sondern "All-Kaida". Schweine im Weltall! Weiteres Beispiel: Der arabische Nachrichtensender heißt wahlweise "Al Jazeera", "Al Dschasira" oder "El Dschasira", jeweils mit oder ohne Bindestrich. Entscheidet euch doch wenigstens mal für Deutsch oder Englisch!
Demnächst lesen wir in der Zeitung: Mikhail Gorbachevs Besuch in Munich, sowie ein Bericht über den Ex-Kanzler Schroder. Und wir erfahren etwas über die drei größten chinesischen Städte: Schanghai, Peking und Beijing.
28. Oktober 2009
Neuyorker Deppenleerzeichen
Heute gibt es soviele englische Begriffe, die einfach 1:1 übernommen werden, dass deren Schreibweise auf die Schreibung deutscher Wörter übergreift. Deswegen findet man bald mehr "CDU Politiker" als "CDU-Politiker". Ist nur konsequent, schließlich schreibt man auch "Windows Vista", oder?
Zum Thema Deppenleerzeichen gibt es einen StarTrek-Beitrag über einen Borg namens Würfel:
Obwohl sich Chakotay gegen die Zusammenarbeit ausspricht, fliegen Janeway und Tuvok zum Borg Würfel.Hier endet das heutige Posting, ich schaue mir jetzt eine DVD an: Der 200 Jahre Mann (interessant ist die Diskussionsseite zum Wikipedia-Artikel).
(TV-Programm der Rheinischen Post)
27. Oktober 2009
Rätselhaftes Deppenleerzeichen
In einigen US-Bundesstaaten war...worauf dann drei Deppenleerzeichen folgen:
Aber Obacht ostdeutsche Softeis Liebhaber, ...
... neben den Berliner Elektrohouse DJs...
... in kurzatmiger Twitter Mainier...(Der Rechtschreibfehler in Manier ist nicht von mir.) Aber dann kommt's:
Die All-You-Can-Eat-Party-Portion kostet 5 Euro.Deshalb der neueste Versuch einer Deppenleerzeichenregel: Die Anzahl der Bindestriche in einem Text darf sechs nicht überschreiten. Von der Haltbarkeit meiner Regel bin ich allerdings wenig überzeugt.
26. Oktober 2009
Sprachliche Fossilien
Für sich allein ist das Wort galan lange ausgestorben, nur in dieser Wortverbindung hat es sich erhalten. Solche sprachlichen Fossilien (der linguistische Terminus ist unikales Morphem) gibt es viele: Schornstein, Brombeere, Himbeere, Bräutigam, Unflat, Sperling, glimpflich.
Wörter können auch in Redewendungen erhalten bleiben: in "mit Kind und Kegel" bezeichnet der Kegel keine Holzfigur, sondern ist das mittelhochdeutsche Wort für "uneheliches Kind". Und der "Fronleichnam" ist nicht der "happy cadaver day", wie ein Schulfreund von mir flapsig sagte, sondern der Leichnam des Herrn, genauso wie der "Frondienst" der Dienst für den Herrn ist.
23. Oktober 2009
Chatten in den Achtzigern
Eine Recherche in meiner Sammlung altertümlicher Computerzeitschriften aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts brachte folgende Fundstelle zu Tage:
Kurz darauf haben wir einen Michael aus Deutschland auf dem Bildschirm, der genauso gern wie wir in ausländischen Mailboxen herumstöbert. Man sieht doch, wie klein die Welt ist. Selbstverständlich kann man sich nicht nur mit einem Teilnehmer unterhalten, sondern eine komplette Konferenz eröffnen und andere Teilnehmer dazu einladen. Im Hackerdeutsch heißt das Sprechen mit anderen über den Computer "Chatten".Daher behaupte ich mal: in Deutschland wird seit mindestens 1986 gechattet. Oder findet jemand einen älteren Beleg?
(64'er - Das Magazin für Computer-Fans, Ausgabe März 1986 vom 14.2.1986, "Datenfernübertragung - Der moderne Weg ins Abenteuer", S. 37)
22. Oktober 2009
Neue Dinge, neue Wörter
Interessant am Auftauchen solcher Neologismen ist, dass sie es erlauben, das Auftauchen und die Verbreitung der durch sie bezeichneten Gegenstände zu verfolgen. Das sei hier am Beispiel "Handy" vorgeführt. Die Grafik zeigt die Anzahl der Treffer für die Anfrage "Handys OR Handies" auf der taz-Archiv-CDROM, auf der 680.000 taz-Artikel von 1986 bis 2000 gespeichert sind. Die ersten Artikel, in denen Handys erwähnt werden, tauchen demnach 1993 auf, danach steigt die Zahl der Erwähnungen rasant an. In der Duden-Ausgabe von 1996 ist "Handy" erstmals verzeichnet.
Zum Schluss noch zwei exemplarische Belegstellen aus dem Jahr 1993:
Es wird reichlich telefoniert in diesem "Tatort". Besonders mit diesen neuen "Handies", die man bei jenen jungen Geschäftsleuten sieht, die sich in der Einkaufspassage immer das eine Ohr zuhalten und besonders wichtige Dinge in ihr handgroßes Funktelefon sprechen. (taz, 23.11.1993)
Im Mittelpunkt des Interesses: Handys. Sie sind bis zu 285 Gramm leicht. Das neue Statussymbol für die Westentasche ist ab 2000 Mark zu haben. (taz, 31.3.1993)
21. Oktober 2009
Gestern Deuzösisch, heute Denglish, morgen Deunesisch?
werden. Ebenso groß ist die Zahl derjenigen, die davon genervt sind
(z.B. VDS oder hier).
Liebe Genervte, nehmt einen Moment die Petersilie aus den Ohren für folgende Durchsage: Die allermeisten englischen Wörter werden wieder verschwinden, genauso wie die vielen französischen Wörter verschwunden sind. Noch vor hundert Jahren nämlich sprachen Leute mit Bildung selbstverständlich französisch. Die Alltagssprache war deshalb durchsetzt mit französischen Wörtern, so wie heute mit englischen. Konrad Duden schrieb 1880 im Vorwort zur ersten Auflage seines orthographischen Wörterbuchs:
Insbesondere bemerke ich noch, daß wir glauben, im Sinne der Regierung entschieden zu haben, wenn wir mitten in den Wörtern weder französische [...] Lettern, noch auch Accente zugelassen haben. Wie "Barriere", "Carriere", so findet man also auch "Portiere", "Lisiere" und ähnliche, ferner "Tete", "Enquete", "Manege" und "Barege" ohne Accent." (S. XIII)Wörter wie "Lisiere" oder "Barege" sind heute aus dem Sprachgebrauch verschwunden, Konrad Duden erschienen sie aber wichtig genug, um sie in seine lediglich 27.000 Einträge umfassende Liste deutscher Wörter aufzunehmen. Weitere, heute ungeläufige französische Beispielwörter finden sich im 1880er Duden zuhauf: "Accouchement", "Accoucheur" und "accouchieren", "Bignonie", "Billetdour", "Brouillon", "brouillieren", ... usw.
An die Denglishgenervten ergeht daher folgender Tipp: Ohren zu und durch! In hundert Jahren sind die englischen Wörter fast alle weg. Dafür kommt dann wohl die Invasion der chinesischen Wörter... Aber lieber die als der billige Plunder, mit dem sie uns heute eindecken.
20. Oktober 2009
Übersetzer und Technik
Insbesondere die lautliche Ähnlichkeit von Silizium (engl. silicon, verwendet zur Herstellung von Computerchips) und Silikon (engl. silicone, daraus macht man z.B. Dichtungen) im Englischen ist verantwortlich dafür, dass in deutschen Übersetzungen massenhaft Gummi-Chips ihr wunderliches Wesen treiben. So auch im 1985er James Bond "Im Angesicht des Todes", wo dem armen Q folgende Worte in den Mund synchronisiert werden: "Was Sie hier sehen, ist ein Chip aus Silikon."
Ein anderes schönes Beispiel ist Reinhard Heinz' Übersetzung des Cyberpunk-Kultromans "Neuromancer" (1987, Heyne-Verlag), wo durchweg von Silikon-Chips die Rede ist. Immerhin entstehen dadurch einige unfreiwillig komische Stellen:
"He, Case, Sportsfreund, ich habe den starken Eindruck, daß deine Begleiterin da bewaffnet ist und außerdem 'ne hübsche Menge Silikon im Kopf hat." (S. 54)Ja, die Frauen der Zukunft haben auch im Kopf Silikon, wozu auch immer (womöglich eine Art Depot, das mit dem in der Brust verbunden ist. Auf diese Weise kann vielleicht durch Umpumpen der Brustumfang je nach Anlass reguliert werden?).
Ich mach' jetzt lieber Schluss für heute...
19. Oktober 2009
Steckt man nicht drin!
Redensarten dürfen nicht wörtlich verstanden werden (und deswegen auch
nicht Wort-für-Wort übersetzt werden). Zum Beispiel hat die Redensart vom Elefanten im Porzellanladen nichts mit Zoologie zu tun. In manchen Kontexten drängt sich aber eine wörtliche Interpretation auf, und dann kann die Formulierung ganz schön in die Hose gehen.
Ein Beispiel dafür bietet folgender Dialog, den ich auf der Wochenbettstation des Neuköllner Krankenhauses mitanhören durfte. Ich saß mit Baby auf dem Arm im Zimmer, meine Frau war nicht da, die türkische Mitpatientin im Zimmer bekam gerade von einem Physiotherapeuten Gymnastikübungen gezeigt. (Achtung, jetzt wird's anatomisch!) Nach der Übung zur Festigung des Beckenbodens kam eine Übung zur Festigung der Schließmuskeln. Der Physiotherapeut: "So, und jetzt schließen Sie mal die Vaginamuskeln."
Türkische Patientin: "Und wie mache ich das?"
Physiotherapeut: "Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, ich steck ja leider nicht drin!"
Schade!
7. Mai 2009
Sickchen
Ich will die Gelegenheit nutzen und auf ein Buch von André Meinunger hinweisen: Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den "Zwiebelfisch".