1. Juni 2017

50 Jahre "antörnen"

I saw a film today, oh boy
The English army had just won the war
A crowd of people turned away
But I just had to look
Having read the book
I'd love to turn you on.


      The Beatles - A Day in the Life
Am 1. Juni 1967 - also heute vor 50 Jahren - erschien das Beatles-Album Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band. Das letzte Lied auf der zweiten Albumseite, A Day in the Life, wurde von der BBC nicht gespielt, weil sich die Wendung to turn somebody on angeblich auf Drogenmißbrauch bezog. Im Oxford Advanced Learners Dictionary of Current English von 1974 ist unter to turn sb on zu lesen:
(sl) (cause sb to) have great pleasure or excitement: Some girls ~ on easily. [...] Some drugs ~ you on very quickly.
Seither ist das Wort jemanden anturnen bzw. antörnen auch ins Deutsche eingewandert. Während sich in Langenscheidts Großem Schulwörterbuch von 1977 kein Eintrag findet, ebensowenig im Leipziger Rechtschreib-Duden von 1976 (und dem 1984er Nachdruck), steht im Duden Universalwörterbuch von 1996 unter anturnen:
(ugs.): 1. in einen Drogenrausch versetzen. 2. in Erregung, Rausch o.Ä. versetzen
Auch antörnen ist mit Verweis auf anturnen aufgeführt. In der Duden Rechtschreibung von 2000 hat sich das umgedreht: anturnen verweist auf den Haupteintrag antörnen. Interessant ist ein Blick auf die Verwendungshäufigkeiten der beiden Varianten im Google Books Ngram Viewer:


Auch die DWDS-Verlaufskurven zu antörnen und anturnen zeigen ein ähnliches Bild. Wie schnell to turn somebody on ins Deutsche übernommen wurde, und vor allem, wie schnell daraus antörnen wurde! Ich meine, die Sprachbewahrer sollten sich heute mal entspannt zurücklehnen, die Grafik betrachten und den Beatles-Song anhören. Das törnt bestimmt auch sie an.

19. Mai 2017

Verschluckt

Die 4-jährige Tochter hustet beim Essen plötzlich.
Mutter: Hast du dich verschluckt?
Tochter: Nein, Mama. Ich bin noch da!

2. Mai 2017

We're all living in America


Moden kommen und gehen mit den Jahreszeiten, gestern waren Containerhosen in, jetzt Jeansstrumpfhosen, oder sind sie schon wieder out? Manche Dinge aber bleiben vom Lauf der Zeit unberührt, wie zum Beispiel die unglaubliche Coolness der englischen Sprache, die seit dem zweiten Weltkrieg immer nur zugenommen hat. Allen Unkenrufen zum Trotz kommt die Werbung ohne Englisch nicht aus - selbst wenn nachgewiesen wurde, dass die Mehrheit der Deutschen die englischen Werbesprüche weder versteht noch sich merken kann. Will man ein Produkt als jung, neu, dynamisch, hip und sexy hinstellen - einfach was Englisches dazu quatschen in der Hoffnung, dass von der Coolness des Englischen was aufs Produkt abfärbt. Was im Einzelnen gesagt wird, spielt überhaupt keine Rolle; wichtig ist nicht was gesagt wird, sondern dass es auf Englisch gesagt wird. In der Tat sind die meisten Werbesprüche völlig belanglos und austauschbar: "Shine brighter", "Technology to enjoy", "Impress yourself". Versuchen Sie doch mal diese drei gerade aktuellen Sprüche den richtigen Produkten zuzuordnen!
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel sind die englischen Sprachfetzen auf Kleidungsstücken: vollkommen sinnloses Gestammel, aber supercool, weil englisches Gestammel. Sonst würden es die H&Ms und C&As ja nicht auf ihre T-Shirts drucken und die Leute nicht anziehen. In diesem Sinne: revert back welcome dome unique form! Ahh, ich bin so cool!

27. Februar 2017

Looser oder Loser?

Die korrekte Schreibung von Looser (Verlierer) im Deutschen verursacht einigen Zwist. Obwohl viele sich für den Loser aussprechen (und im Englischen zweifellos nur "loser" richtig ist), finde ich "Looser" stimmiger. Und zwar aus folgenden Gründen.

Erstens ist die englische Rechtschreibung notorisch unregelmäßig. Der Laut /u:/ (langes uh) wird entweder durch "u" (z.B. in rule, June) oder durch "oo" wiedergegeben (z.B. in goose, pool), in seltenen Fällen aber auch durch ein einzelnes "o". Wenn es eine Sprache gibt, der eine Rechtschreibreform gut täte, dann das Englische. Mit einer regelhafteren Laut-Buchstaben-Zuordnung würde loser als looser geschrieben werden, und nicht wie poser.

Zweitens handelt es sich bei Looser um ein Wort im deutschen Sprachsystem. Entlehnt wurde es aus dem Englischen, aber das heißt nicht, dass die englische Schreibung übernommen werden muss. In anderen Sprachen ist es selbstverständlich, dass Lehnwörter in das jeweilige Schreibsystem eingepasst werden (siehe das tschechische Beispiel byznyz). Und in Sprachen mit einem anderen Schriftsystem ist das auch gar nicht anders möglich. Oder wollen Sie einem Chinesen vorwerfen, "哈尼" sei falsch geschrieben (哈尼 ist aus dem Englischen entlehnt und bedeutet Honig (honey), ausgesprochen hāní)?

Darüberhinaus wird Looser auch von den Loser-Fans nicht wie im Englischen geschrieben - nämlich groß statt klein. Allein dieser Umstand zeigt, wie lächerlich das Argument ist: "Man muss das Wort schreiben wie im Englischen."

Kurzum: Im Englischen ist "loser" korrekt, ins Deutsche passt "Looser" besser als "Loser".