30. Januar 2007

Beinschuss

Was stimmt nicht an den folgenden Zitaten?
Mölln: Polizist wehrt Angriff eines Einbrechers mit Beinschuss ab (NDR)

Pizarro verpasst Dober einen Beinschuss, der sich aber direkt rächt und den Peruaner zu Fall bringt. (Kicker)

Bauer mit Beinschuss gestoppt - Mit einem Schuss in den Oberschenkel hat ein Polizist im unterfränkischen Ebern den Wutanfall eines Landwirts beendet. (Focus)

Der Brasilianer fackelt nicht lange und überwindet Fiedler mit einem Beinschuss. (Kicker)
Das Wort Beinschuss hat hier zwei unterschiedliche Bedeutungen. Einmal der Schuss ins Bein, dazu gibt es nichts weiter zu sagen. Relativ neu ist die zweite Bedeutung im Fußball: ein Beinschuss ist ein Schuss durch die Beine des Gegners. Der erste Beleg bei kicker.de findet sich in einem Spielbericht von 2000. Früher sagte man: der Gegner wurde getunnelt, jetzt: er erhielt einen Beinschuss.

Was mich daran stört? Wenn ein Schuss zwischen den Beinen hindurch ein Beinschuss ist, dann müsste man analog einen Schuss ins Tor als Pfostenschuss bezeichnen. Und das ist doch totaler Quatsch.

10. Januar 2007

Böses Atom, guter Kern

Wer denkt, "Atomkraftwerk" und "Kernkraftwerk" seien Synonyme, der irrt. Wer eines dieser Wörter gebraucht, der entlarvt sich sofort als Befürworter oder Gegner dieser Energieerzeugungsmethode.

Zu Beginn sprachen alle noch von der Atomkraft. So bildete die Regierung Adenauer 1955 das Bundesministerium für Atomfragen, Atomminister wurde Franz-Josef Strauß. Aber schon 1957 wurde Siegfried Balke (CSU) Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft. Das war erstens wissenschaftlich präziser, weil im Kraftwerk eine Kernspaltung durchgeführt wird, und keine Atomspaltung, zweitens wollte man vermeiden, dass die "friedliche Nutzung der Atomenergie" mit der negativ besetzten Atombombe assoziiert wird. Es bot sich die Bezeichnung "Kernkraft" an, weil es keine "Kernbomben" gibt.

In den 70er Jahren hatte man sich auf Seiten der Befürworter ganz vom Atom verabschiedet und sprach ausschließlich von Kernkraft, während die Anti-Atom-Bewegung mit voller Absicht das Wort "Atomkraft" gebrauchte. Das Grundsatzprogramm der CDU von 1978 enthält zwei Mal das Wort "Kernenergie", "Atomenergie" oder "Atomkraft" kommen dagegen nicht vor. Auch in der Regierungserklärung von Franz-Josef Strauß 1986 vor dem bayerischen Landtag anlässlich der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl fällt sechs Mal das Wort "Kernenergie" und vier Mal "Kernkraft" bzw. "Kernkraftwerk", "Atomenergie" oder "Atomkraft" tauchen nicht auf.

Anhand der Vorkommenshäufigkeiten in aktuellen Programmen und Beschlüssen der Parteien kann man sehen, dass die Wortwahl eindeutig politisch motiviert ist und mit Physik rein gar nichts zu tun hat:









Atomkraft
(-werk)
Atom-
energie
Kernkraft
(-werk)
Kern-
energie
Grundsatzprogramm
der CDU 1994
0 0 1 3
Parteitagsbeschluss
CDU 2004
0 0 2 3
Grundsatzprogramm
CSU
0 0 2 2
Wahlprogramm
FDP 2005
0 0 2 5
Grundsatzprogramm
SPD 1989/1998
2 0 0 0
Parteitagsbeschluss
SPD 2005
2 3 0 0
Grundsatzprogramm
der Grünen
9 3 0 0

Eine klare Sache. Um solch eine begriffliche Disziplin zu gewährleisten, muss man Terminologie-Managementsoftware einsetzen, die bei "politisch unkorrektem" Gebrauch sofort Alarm schlägt: "Bitte benutzen Sie anstelle von Atomkraft das Wort Kernkraft!" bzw. umgekehrt. Wie gern würde ich in diese Listen unerwünschter Wörter mal einen Blick werfen...

Wer sich also vor einem GAU fürchtet und ob der ungelösten Entsorgungsfrage schlaflose Nächte hat, der sage bitte "Atomkraftwerk", wer auf die Leistung der Ingenieure vertraut und nichts gegen eine Laufzeitverlängerung einzuwenden hat, der rede bitte von "Kernkraftwerk".