13. September 2006

Deppenleerzeichen

Kaum hat sich der Genitiv-Apostroph bis in die Duden-Grammatik vorgekämpft, überfällt uns schon das nächste Unheil: Das Deppenleerzeichen setzt seinen "Triumph Zug" unbeirrt fort.
Als Linguist interessiert mich daran lediglich, ob sich eine Regelmäßigkeit finden lässt, die erklärt, wann getrennt geschrieben, und wann ein Bindestrich gesetzt wird. Momentan scheint hier Rechtschreibung aber eher Glückssache zu sein:

"Die Idee zu einem schnellen Speicher [...], hatten IBM-Ingenieure schon Anfang der 50er Jahre. Es gelang ihnen aber nicht, die Eisenplatten wirklich plan zu drehen. Im deutschen IBM Labor in Schönaich gelang es schließlich, die Platten mit der nötigen Präzision herzustellen, indem man aus Staubsaugerteilen eine Vakuum-Drehvorrichtung baute." (Heise online)

Solche Normunsicherheiten kennzeichnen Situationen, in denen ein Wandel im vollen Gange ist oder etwas Neues auftaucht. Ein schönes Beispiel ist die Unsicherheit bei der Schreibung des Neuwortes "Handy" in seiner Anfangszeit:

"Die Privaten [...] verfügen über ein stabileres Netz und liefern die handies schneller aus." (taz, 29.3.1993)

"Im Mittelpunkt des Interesses: Handys. [...] Bei eintsprechender Nachfrage und Produktion in großen Stückzahlen können Ende des Jahres die ersten Handies für 1000 Mark zu haben sein." (taz, 31.3.1993)

Die brennende Frage, ob "Handy" oder "handy" bzw. "Handys" oder "Handies" richtig ist, beantwortete der Duden 1996 mit der Aufnahme von "Handy, das, -s" ins Rechtschreibwörterbuch.

Kürzlich glaubte ich, doch eine Leerzeichen-Regel entdeckt zu haben: Nach Fugenelementen steht kein Leerzeichen. Demnach könnte zwar "Stab Hochsprung" irgendwo lauern, aber nicht "Stabs Offizier", "Land Luft" ja, "Lands Knecht" nein. Doch leider stieß ich in dieser vorzüglichen Deppen-Leerzeichensammlung auf den "Urlaubs Check". Pech gehabt.

Wir haben also eine regellose Situation. Wie im Wilden Westen. Nutzen wir's aus! Dann können wir später am Kamin Feuer unsere Enkel mit Gute-Nacht-Geschichten von den wilden alten Zeiten langweilen, in denen man die Tinten Füller noch schwingen konnte, wie's einem passte, und kein Tintenkiller nötig war. Ob in 30 Jahren alle stets brav "Kamin Feuer" oder aber "Kamin-Feuer" schreiben werden, ist doch egal.

Google ist darauf schon vorbereitet: Mit der Anfrage "CIA Gefängnisse" findet man auch alle Seiten, die nur CIA-Gefängnisse enthalten. Der Binde Strich wird von Google nämlich schon längst ignoriert.

11. September 2006

Datums-Denglisch

Im Englischen schreibt man Datumsangaben im Format Monat/Tag/Jahr,
z.B. 9/11/2001 für den 11. September 2001. Für dieses spezielle Datum
hat sich deshalb in den USA und England die Bezeichnung 9/11 oder 9-11 (nine eleven) eingebürgert.
Die eifrigen Journalisten, die mal wieder englische Nachrichten aus dem
Internet abschreiben, um ihre Zeitung vollzukriegen, übernehmen das
natürlich eins zu eins. Schließlich haben sie nicht übersetzen
gelernt, sondern Journalismus (außerdem sind Zahlen sowieso gaaanz
schwierig).
Dadurch verändern sie neben der deutschen Sprache auch die
Geschichte. Mittlerweile findet man viele Artikel, in denen behauptet
wird, die Anschläge auf das World Trade Center hätten nicht am
11.9.2001 stattgefunden, sondern am 9.11.:

"Eine Sammlung offizieller Angaben zum Pentagon und zum Anschlag vom 9.11." (WDR)

"Wir sind aber entsetzt [...] über die Stürzenden vom 9.11.2001. 'Es war, als ob es Menschen regnete ... Du konntest zuschauen, wie sie vom 90 Stockwerk oder so herabfielen', so der Sanitäter Michael Ober." (Telepolis)

"Trotzdem erinnere ich mich [...] wie unsere Leute im und in der Umgebung des World Trade Centers von den Securities und der Polizei runtergemacht wurden, [...] was viele Leute oft als sehr rassistisch empfanden. 9.11. war eine Art von Gerechtigkeit, eine Art 'Wake Up Call'! " (MTV-News)

"Glucksmann vergleicht 9.11. mit Auschwitz und Hiroschima" (Rheinische Post)

Wird bald Heiligabend am 12.24. stattfinden? Die armen Kinder: Freuen
sich das ganze Jahr auf Geschenke, und dann kommt gar kein 24. Monat,
nicht mal ein 13. Das wird ein Geflenne geben!

10. September 2006

Sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ausländerfeindlich?

Gestern erzählte mir jemand, er habe zu fortgeschrittener Stunde eine
Busverbindung bei www.bvg.de von der Türkenstraße zur
Reinickendorferstraße gesucht. Aus Jux habe er aber statt "Türkenstr."
"Kanackenstr." eingegeben, weil er dachte, das sei witzig. Fanden die
anderen zwar nicht, aber als dann eine Auswahlliste mit 25
ähnlichen Wörtern erschien, wo tatsächlich die "Türkenstr."
aufgeführt war, wich die Missbilligung allgemeinem Erstaunen.

Ich habe es heute Morgen nachgeprüft. Es stimmt. Nun fragt sich, wie
die BVG dazu kommt, als Korrekturvorschlag zu "Kanackenstr." die
"Türkenstr." zu präsentieren? Befragen sie etwa ein Synonymwörterbuch?
Wenn ja, was für eins? Und was stehen da noch für Sachen drin? Gibt
man "Froschfresser-Str." ein, erscheint dann: "Meinten Sie
Französische Str."? (Nein, erscheint nicht.)

Vielleicht berechnet die BVG bloß die lautliche Ähnlichkeit? Aber
warum sollte unter tausenden Haltestellen in Berlin und Brandenburg
ausgerechnet dieses Paar unter den 25 ähnlichsten sein? Da gibt es
doch bestimmt hunderte ähnlichere zu "Kanackenstr." als "Türkenstr."!

Seltsam ist das schon...

4. September 2006

DNA oder DNS?

Im Deutschen werden die beiden Akronyme "DNA" und "DNS" weitgehend synonym gebraucht. Viele wissen gar nicht, dass beide Ausdrücke dasselbe bedeuten. Was aber ist der Unterschied? Ganz einfach: "DNA" ist englisch, "DNS" ist deutsch. "DNA" ist die Abkürzung für "deoxyribonucleic acid", "DNS" heißt "Desoxyribonukleinsäure". Vielleicht ist "DNS" wegen der schlimmen Buchstabenfolge "NS" so unbeliebt. Außerdem wird der fleißige Fernsehkonsument täglich mit "DNA" konfrontiert, da die Synchronstudios keine Lust haben, bei jeder amerikanischen Billigkrimiserie Biochemie-Experten heranzuziehen, und daher nicht lange fackeln und /Di-än-äi/ mit "DNA" übersetzen.

Im vorigen Jahrhundert

Auf ntv hörte ich neulich den Satz: "Guggenheim begann seine
Kunstsammlung in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts."

Was soll der Zusatz "des vorigen Jahrhunderts"?
Denken sonst alle: in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts?

Demnach bin ich in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts
geboren. Komischerweise bin ich aber noch nicht zu Staub zerfallen
oder als Mumie im Pergamonmuseum ausgestellt. Hört sich nur so an.

Demnächst wird auf irgendeinem Amt wahrscheinlich folgender Dialog
aufgeführt:
"Geburtsjahr?"
"Neunundsechzig."
"Und welches Jahrhundert?"