10. Juni 2016

Brief vom 18. März 1943

"Die erste, ja schon für sich allein beinahe ausreichende Regel des guten Stils ist, daß man etwas zu sagen habe: oh, damit kommt man weit." (Arthur Schopenhauer)
"Mein lieber Bruder, Gell hart und schwer hat uns das Schicksal getroffen. Ich kanns noch gar nicht fassen, dass unser lieber guter Wilhelm nicht mehr heim kommen soll, dass wir ihn hier auf dieser Welt nie mehr sehen. Es ist unglaublich. Die arme Liesel. Aber weisst Du, unser Helm war zu gut für diese Welt, der liebe Gott hat es vielleicht gut gemeint. Wilhelm ist auf dem Heldenfriedhof in Kairuan beerdigt. Seine Nachlassachen kamen noch nicht. Das erste Opfer für ihn war in Hubertshofen. Seine ganzen Schulkinder waren dabei, es war sehr feierlich. Das zweite Opfer war in der Kapelle zu Altwiesloch und das dritte in Weinheim. Dort wars am schönsten. Ein wunderwar geschmücktes Kriegergrab war aufgebaut, wie ichs noch nie sah, ganz in Blumen. Herr Stadtpfarrer hielt selbst das Amt. Die Kirche war gut gefüllt. Bleiensteins Heiner spielte vor der Wandlung auf der Fioline das ergreifende Lied: "Ich hat einen Kameraden." Ich bin sicher Wilhelm ist im Himmel. Nun hab ich nur noch Dich und Karl. O der schreckliche Krieg. Willy liegt auch noch sehr schwer in Warschau, er stand auch dem Tode näher als dem Leben. Wenn er bis in einem Jahr ganz hergestellt ist haben wir viel erreicht. Das alles sind grosse Sorgen. Mütterle geht es ordentlich. Wie gut, dass sie das alles nicht mehr versteht. Eva trägt auch sehr schwer. Auch Karl gings sehr nahe. Nun hab ich Dir ein wenig das Wichtigste geschildert. Sobald ich Näheres noch erfahe schreib ich Dir. Wir wollen tapfer all das Schwere zusammen tragen, und den lieben Gott bitten, dass er uns Kraft gibt. Halt Du Dich gesund und munter und sei für Heute recht herzlich gegrüsst von Deinem Schwesterlein Stefanie. Hast Du von Wilhelm ein Bildchen??? Mit gleicher Post geht ein Schächtelchen Zigaretten an Dich ab. Schreib obs ankam. Nun bekommst Du auch noch Wilhelms Zigaretten."